MANN GOTTES, WAS NUN?
Der Zölibat: Lebenserfahrungen und Zukunftsperspektiven
Anfang Mai 2012 erschien in Freiburg (Rombach-Biografien, ISBN: 978-3-7930-5090-2) eine Autobiografie von Helmut Gall mit dem Titel
MANN GOTTES, WAS NUN?
Der Zölibat: Lebenserfahrungen und Zukunftsperspektiven
2014 erschien – nach mehreren vorausgegangenen Druckfolgen – die zweite Auflage mit rund 40 Änderungen, zumal es seit dem Erscheinen der ersten Auflage einige einschneidende personelle Änderungen in Rom gab: Nach dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI. folgte Papst Franziskus, ein Bischof aus Argentinien mit einer sympathischen Ausstrahlung. Leider ließ jedoch Benedikt seine Chance als Papst ungenutzt, eine Tür für seine eigene Vision zu öffnen, die er bereits Anfang der 70er Jahre als damaliger Professor Joseph Ratzinger in seinem Buch „Glaube und Zukunft“ (Seite 123) wörtlich so beschreibt: Die Kirche „wird als kleine Gemeinschaft … bewährte Christen, die im Beruf stehen, zu Priestern weihen …“.
Auf der Einbandrückseite des 270 Seiten zählenden Buches von Helmut Gall ist zu lesen:
„Wer in der katholischen Kirche Priester werden will, verpflichtet sich zum Zölibat. Doch wie ergeht es denjenigen, die damit nicht leben können?
Helmut Galls Leben ist ein Stück Geschichte: Geboren während des Zweiten Weltkriegs, erlebt er die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland und das Ende des Kalten Krieges. Während seines Theologiestudiums in Freiburg im Breisgau findet das Zweite Vatikanische Konzil statt. Die aufkeimende Hoffnung, dass sich unter anderem beim Zölibat etwas ändern wird, erfüllt sich nicht. Der Konflikt mit der zölibatären Lebensführung beginnt …
Als Kaplan begegnet er Schwester Vinzentia, die innerhalb ihres Ordens mit ganz anderen Problemen kämpft und schließlich das Kloster verlässt. Nach ihrem Austritt trennen sich die Wege der beiden, bis sie sich eines Tages wieder begegnen. Sie als Frau, die sich entschlossen hat, niemals zu heiraten, er mit seiner Zölibatsverpflichtung, die ihm zunehmend als fragwürdig erscheint: zwei Schicksale, die eng mit der Kirche, ihren Traditionen und ihrer Geschichte verbunden sind.
Helmut Gall schildert in seiner Biografie diese beiden Lebensgeschichten – ohne Bitterkeit. Denn seinen Glauben – auch an die Kirche – hat er niemals verloren. Sein Buch ist ein uneingeschränktes Plädoyer für verantwortete Freiheit:
Der Priesterberuf muss ebenso ohne wie mit Zölibat möglich sein.
Der Autor lebt mit seiner Frau in Denzlingen bei Freiburg, wo er nach seiner Laisierung 30 Jahre an einem Gymnasium Deutsch, Religion und Gemeinschaftskunde unterrichtet hat.“
Helmut Gall geht es nicht nur um eine übliche Biografie, eine mehr in der langen Reihe von Biografien. Seine wesentliche Intention zielt vielmehr darauf ab, dass man in der katholischen Kirche endlich zu einer echten Reform in Sachen Zölibat bereit ist.
Im Mai 2012, kurz nach Erscheinen der ersten Auflage von Galls Autobiografie, fand der 98. Deutsche Katholikentag in Mannheim statt, der unter dem Motto stand:
„Einen neuen Aufbruch wagen“.
Mit seiner Biografie will Gall ausdrücklich zu einem „Aufbruch“ auffordern, nämlich zu einer Reform in Sachen Zölibat. Eine umfangreiche Literatur zu diesem Thema füllt bereits Bibliotheken und wird in unserem schnelllebigen medialen Zeitalter nur allzu schnell vergessen. Gall zeigt sich überzeugt: Wenn man in der katholischen Kirche endlich ein konkretes Zeichen für Reformwillen setzen würde, könnte das in der Tat zu einem „Aufbruch“ führen.
„Wir sind das Volk“, „Volk Gottes“ sogar, das im letzten Jahrhundert auch schon andere scheinbar unverrückbar feste Bastionen ins Wanken brachte und zu einschneidenden Veränderungen führte.
Eine „Reform von oben“ in dieser Sache ist jedoch in absehbarer Zeit mit ziemlicher Sicherheit nicht zu erwarten, leider! Für Gall ist es vielmehr unverkennbar, dass man seitens der Kirchenleitung eher noch größere Seelsorgeeinheiten (ab 2015 „Kirchengemeinden“ mit weit über 10.000 und sogar über 15.000 Menschen „konstruiert“, für die ein (zölibatärer) Priester mit Unterstützung engagierter Laien, pastorale Verantwortung tragen soll. Die immer weniger (und natürlich auch älter) werdenden Priester werden sich dabei „in ihrem Bemühen, ständig zunehmender Belastung gerecht zu werden, aufreiben“. (S. 147) Daher wird man bereits in naher Zukunft zunehmend Laien (Frauen und Männer) in der Seelsorge einsetzen, bis man endlich jenen Reformschritt wird vollziehen müssen, den die Kirche eigentlich schon heute weitblickend gehen sollte, um ihren Verkündigungsauftrag glaubhaft zu erfüllen.