Lesung von Helmut Gall – „Ich habe nicht meinen Beruf aufgegeben, sondern mich für die Ehe entschieden“
Denzlingen(cvl). Es war eine Premiere. Nicht nur, weil Helmut Gall am vergangenen Freitag erstmals sein Buch „Mann Gottes, was nun?“ im Rahmen einer Lesung vorstellte, sondern auch, weil die Leiterin der Mediathek Katja Holstein-Gußmann sich erstmals als „Rausschmeißerin“ zu bewähren hatte. Nach vorsichtigen Schätzungen mussten weit mehr als 50 Personen abgewiesen werden, um bei der Buchvorstellung den Rocca-Saal nicht gnadenlos zu überfüllen. Die vom Förderverein der Mediathek veranstaltete Lesung stieß auf überwältigendes Interesse.
Nach einführenden Worten – auch seitens der Herausgeberin und Lektorin Sabine Frigge vom Rombach-Verlag – las der Autor ausdrucksstark ausgewählte Passagen aus dem bereits vergriffenen, aber in Kürze wieder lieferbaren Buch, das mit seiner wichtigen Thematik, nämlich der Frage, ob der Zölibat zwingende Voraussetzung für die Ausübung des Priesteramtes in der katholischen Kirche sein muss, auch vor dem Hintergrund des Katholikentages (Motto „Einen neuen Aufbruch wagen“) hochaktuell ist. Im Innern seines Herzens habe er den Beruf des Priesters nie aufgegeben, stellte Helmut Gall klar und dankte Lektorin und Verlag ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit. Sein Buch trage auch die Handschrift der Herausgeberin, denn sie habe ihn insbesondere beim richtigen Aufbau der Schilderung wesentlich unterstützt und beraten und die Zusammenarbeit sei sehr angenehm.
Tiefe Sympathie für Kirche und Amt
Frigge gab dieses Kompliment zurück. Es sei vergleichsweise wenig Arbeit angefallen, ein paar Umstellungen, Straffungen und die Vornahme der „üblichen Rechtschreib- und Grammatikkorrekturen.“ Da Letzteres im Saal für Heiterkeit sorgte (Gall war langjährig als Deutschlehrer am Gymnasium tätig), stellte die Lektorin klar, dass es unmöglich sei, ein Buch zu schreiben, ohne dass solche Korrekturen erforderlich würden. Sie betonte weiter, dass an dem Werk nicht nur der Umstand interessant sei, dass ein ehemaliger Priester eine ehemalige Ordensschwester geheiratet habe, sondern dass ihr der Inhalt des Buches auch deshalb sehr wertvollerschienen sei,weilGallohne Polemik die Abläufe schildere und trotz seiner negativen Erfahrungen in der Kirche geblieben sei, die ihm weiterhin am Herzen liege. Allerdings spotteten die Reaktionen der Amtskirche in mancher Hinsicht jeder Beschreibung, umso beeindruckender sei es, dass der Autor an seiner tiefen Sympathie für die Kirche festhalte und Änderungen „von innen heraus zu bewirken“ versuche. Sie sei froh, dass er ihr als „erster Leserin“ sein Buch anvertraut habe.
Hoffnung nicht aufgeben
„Ich jedenfalls habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben“, meinte Gall mit Blick auf die Entwicklung zum Zölibat und las ausgewählte Passagen (vom „Urlaub“ seines Vaters „für den Endsieg“ über Studienzeit und Kaplanstelle bis hin zu grundsätzlichen Erwägungen zum Zölibat, die einen guten Einblick in das Buch vermitteln konnten („Gott hat den Menschen nicht zufällig als Mann undFrau geschaffen“). Punkt 21 Uhr leitete Klaus Zimmermann die Fragerunde ein, in der auch er selbst kompetent zu kirchlichen EntwicklungenStellung bezog. In zahlreichen Wortmeldungen wurde das große Echo deutlich,aufdas der Autor mitseiner Biografie gestoßen ist. Liegen schonReaktionen der Kirche vor? Ihm gegenüber nicht. Der Zölibat sei doch nichtdas Hauptproblemdes Priestermangels, was die Entwicklung in der evangelischen Kirche zeige. Dem trat Zimmermann mit konkreten Ausführungen entgegen. Viele meldeten sich zu Wort, manche auch nur, um ihrem Respekt Ausdruck zu verleihen. Auch im Rahmen der Fragenbeantwortung blieb der Autor angenehm bei seiner Fairness gegenüber der Kirche, indem er etwa Hochachtung vor vielen Priestern bekundete, die den Zölibat glaubhaft lebten; er persönlich, aber auch viele andere Betroffene, bräuchten hingegen einen Menschen, der ihnen ganz nah sei. Sonst fehle einfach das weibliche Element, ein wohltuendes Korrektiv für die Arbeit in der Gemeinde und die Nähe, die für den anspruchsvollen Beruf des Priesters erst den nötigen Rückhalt gebe. So stehe ja auch im Katechismus, dass der Mensch „zur Liebe berufen“ sei und in der Liebe zur Partnerin komme jeden Tag aufs Neue die Liebe Gottes zum Ausdruck, betonte Gall die Wichtigkeit dieser persönlichen Bindung, ohne jedoch den Alltag zu verklären.Auch Ehen könnten natürlich scheitern, seine Frau Marianne und er hätten jedoch das Glück, ihren Schritt zur Gemeinsamkeit noch keinen Tag bereut zu haben.
Nicht aus dem Glauben begründet
Und so sieht Helmut Gall (im Gegensatz zum von ihm bereits im Studium als Theologen geschätzten heutigen Papst Benedikt XVI.) die Ehelosigkeit der Priester nicht als ein „Geschenk Gottes“, sondern lebt die Überzeugung, dass es die Nähe zum geliebten Partner ist, in der Gottes Liebe unmittelbar spürbar wird und zeigt überzeugend auf, dass die Ehelosigkeit der Priester in der katholischen Kirche keineswegs zwingend ist, keinen notwendigen Bestandteil im Rahmen der Tätigkeit eines Priesters darstellt: „Was kann ich denn im Priesterberuf nicht tun, weil ich verheiratet bin? Wir brauchen Priester, die im Leben stehen!“ Gall hätte seinen „Traumberuf“ jederzeit gerne weiter ausgeübt; nur eben nicht unter dieser Bedingung,die seiner Sicht nach kein Kernstück christlichen Glaubens ist, keine „Conditio sine qua non“. Sein Credo lautet: die Ehelosigkeit sollte freiwillig möglich, aber nicht zwingend vorgeschrieben sein.